Die Taube, De Duif

St. Willibrordus innerhalb der Festung

Die Kirche

Das Jahr 1795 war für die Amsterdammer Katholiken der bescheidene Beginn ihrer Emanzipation. Die Regentenherrschaft war zu Ende und die Batavische Republik gewährte erstmalig Religionsfreiheit. Die Willibrordusgemeinde, die ca.1682 gegründet wurde, war die erste, die sich diese Freiheit zunutze machte. Sie baute noch im selben Jahr eine Kirche an der Prinsengracht. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Gottesdienste -so wie bei allen nicht anerkannten oder gar verbotenen Religionsgemeinschaften- in sogenannten Schlupfkirchen gefeiert. Eine solche Schlupfkirche war von außen her nicht als Kirche erkennbar und wurde mangels einer Hausnummer durch einen Namen im Giebel angedeutet. Die Schlupfkirche der Willibrordus-pfarrei war das Haus mit der ´Friedenstaube´ in der Kerkstraat 167, an der Stelle des heutigen Postamtes.

Die an der Prinsengracht gebaute Kirche wurde schon schnell zu klein. In 1857 baute man daher an derselben Stelle und teilweise auf den bestehenden Pfahlfundamenten die heutige, viel größere Kirche nach den Bauplänen des Architekten Theo Molkenboer. Die Kirche behielt, so wie bei vielen anderen neu gebauten Gotteshäusern in dieser Zeit, den Namen ´Het Vrededuifje´ (Friedenstaube), der allmählich vereinfacht wurde in ´De Duif´(Die Taube).

Der aus Sandstein errichtete Giebel sowie der Grundriß sind neo-barock. Dieser Baustil stellt eine Besonderheit in der kirchlichen Baukunst mitte des vorigen Jahrhunderts dar. Der Grundriß besteht aus einem Achteck mit angebautem Chor und Langschiff, letzteres versehen mit Seitenschiffen und Galerien. In der der Kirche sind sehenswert der barocke Hochaltar mit Baldachin, die mit reichen Schnitzereien ausgestattete Kanzel und vor allem die imposante Orgel des berühmten Brabanter Orgelbauers Smits, die größte der fünf durch diesen Meister in Nordholland gebauten Orgeln. Sowohl Orgel, Außengiebel als auch Interieur stehen auf der Liste des Monumentenschutzes.

Die Gemeinde

Nach einer Periode von beinahe hundert Jahren blühenden Bestehens wurde die Kirche St.Willibrordus auf Geheiß der bischöflichen Autoritäten Beginn 1974 geschlossen. Eine Gruppe von Gemeindemitgliedern, der Kirchenchor und sein Dirigent waren hiermit nicht einverstanden und beschlossen, die Gottesdienste in Eigenverantwortung fort zu setzen. Zwei Priester stellten sich zur Verfügung. Auf diese Weise nahm alles seinen gewohnten Verlauf mit dem Unterschied, daß die ´Duif´-Gemeinde in eine Basisgruppe mit demokratischem Modell veränderte.

In der Demokratisierung der Glaubensgemeinschaft ging man so weit wie möglich. Die Leitung und Verwaltung wird seit 1974 durch die Allgemeine Versammlung (AV) ausgeübt. Jeder ist in dieser Versammlung herzlich willkommen. Meinungsverschiedenheiten werden soviel wie möglich in der AV diskutiert, Beschlüße durch Abstimmung der Mitglieder gefaßt. Nicht immer ist es möglich, hereinstimmung zu erzielen. 1976 entstand Uneinigkeit zwischen der leitenden Chorgruppe und dem Rest der Gemeinde. Erstere forderte eine musikalisch-kulturelle Richtung mit einem bescheidenen religiösen Hintergrund, die Gegenseite wünschte an der religiösen Bestimmung der Kirche fest zu halten, schloss dabei jedoch kulturelle und gesellschaftliche Manifestationen nicht aus. Leider konnte in dieser Problematik kein consens zustandekommen; die Folge war, daß ein dutzend Mitlglieder der ´Duif´ sich aus der Gemeinschaft zurückzogen.

In den kommenden Jahren entwickelte sich die Duif-Gemeinde zu einer echten Freiwilligen- und Laienkirche. Wurde die Kirche 1974 wegen finanzieller Schwierigkeiten durch das Bistum geschlossen, für die Duif-Gemeinde neuen Stils schmolzen solche Probleme wie Schnee unter der Sonne. Jedes Mitglied ist sich seiner Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft bewußt und verleiht seine Mitarbeit uneigennützig. Der Unterhalt von Gebäude und Orgel wird durch eigene Mitglieder und Mittel getragen.

Obwohl die Gemeinschaft einen römisch-katholischen Hintergrund hat, der sich noch immer in der Gestaltung der liturgischen Feiern zurückfinden läßt, sind in ihr mittlerweile verschiedene Glaubenstraditionen vertreten.

Die Liturgie

Das Zusammen-selbst-tun breitete sich im Laufe der Zeit auch aus auf die sonntägliche Liturgie, auch wenn noch viele Jahre ein Priester zur Verfügung stand. Die gut besuchte allwöchentliche Liturgieversammlung entwickelte sich zu einer 'Schule', einer als fesselnd erfahrenen, stets weitergehenden Suche nach einer anderen Sicht auf Gott und die Heilige Schrift, wobei die verschiedenen Glaubens-traditionen einander bereichern. Immer mehr Teilnehmer an diesen Zusammenkünften waren besser in der Lage, auch in der Öffentlichkeit ihre Erkenntnisse aus den Schriftlesungen zu artikulieren. Mehr und mehr kam man zu der Einsicht, in einer Jahrhunderte alten Tradition zu stehen, die Raum bietet an Kreativität und andere als von höheren Ortes festgestellte Auffassungen (Dogmen) innerhalb des Glaubens. Die Gestaltung der liturgischen Feiern durch Laienvorgänger war dann auch eine logische Konsequenz.

Die Symbolik des Brotbrechens und miteinander Teilens gewann im Laufe der Jahre für viele Gemeindemitglieder einen neuen Inhalt. Mehr denn je sich individuell verbunden fühlend mit dem Herrn, wächst die Bereitschaft, um wirklich mit seinem Mitmenschen zu teilen. Die 'Einstellungsworte' werden durch die Gemeinde während der Abendmahls- b.z.w. Eucharistiefeier gemeinsam ausgesprochen ohne nach der theologischen Würdigung zu fragen. Dieses auf seine eigene Weise zu erfahren, liegt bei jedem Teilnehmer selbst.

Die Frauen und Männer, die im Sonntagsdienst vorgehen, berufen sich nicht auf Weihe oder Ernennung, sondern werden durch die Gemeindemitglieder demokratisch gewählt. Die alljährlichen Vorgängerwahlen sind inzwischen zu einem traditionellen Bestandteil geworden.

Obwohl der sonntägliche Dienst sehr wichtig ist und die Duif-Gemeinschaft Ausdruck an Glauben und religiöser Erfahrung verleihen möchte, steht die Liturgie nicht vollständig im Mittelpunkt. Vor allen Dingen will man auch ein erkennbares Heim sein, eine Gemeinschaft, die bestrebt ist, einander Geborgenheit und Andacht zu schenken.

Letzte Entwicklungen

Als ein Teil der Gemeindemitglieder der 'Duif' in 1974 nach der gezwungenen Schließung ihre Kirche besetzten, wurden sie natürlich nicht die juristischen Eigentümer. Eigentümer blieb das Bistum Haarlem. Versuche, die Gebäude zu übernehmen, schlugen fehl. Für dieses Problem ist in der Zwischenzeit eine Lösung gefunden worden. Nach sorgfältigen Verhandlungen wurden im Mai 1995 das Kirchengebäude und das angrenzende Pfarrhaus durch die Amsterdammer Monumentenfonds N.V. erworben, welche der Duif-Gemeinschaft als ihrem Anteilhalter den kirchlichen Gebrauch garantiert. Auf diese Weise ist eine zwanzig- jährige Impasse durchbrochen und kan endlich ein Beginn gemacht werden mit den Vorbereitungen für die hochnötige Restauration des monumentalen Kirchengebäudes.

Zum Schluß noch dies: Die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft 'De Duif' ist nicht freibleibend und festgelegt in den Statuten der Stiftung 'De Duif'. Ein Auszug dieser Statuten und Zielsetzungen ist auf Anfrage für alle Interessenten erhältlich beim Vorstand der Stiftung. Letzteres schließt natürlich nicht aus, daß 'De Duif' eine Kirche bleibt, in der jederman sonntags um 10.30 Uhr zur Feier des Dienstes herzlich willkommen ist.

Amsterdam 1998

| Welkom |


AM 25-1-1998 | © copyright 'De Duif', Amsterdam | deduif@xs4all.nl